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Die Idee
Was vereint Zugvögel und Musiker?
Sie sind Brüder und Schwestern im Geiste. Sie alle fliegen regelmäßig aus, manchmal sogar für lange Zeit, und so sind sie oft mehr außer Haus zu Hause. Die einen sind dort, wo sie Kraft sammeln und/oder Familienplanung betreiben. Die anderen ziehen umher und spielen auf den Bühnen der Welt. Genau wie die Zugvögel kehren auch die Musiker*innen nach ihren Auftritten in ihre Heimat zurück, und die kann auch eine Wahlheimat sein.
Und was ist Zugvogelmusik?
Das ist die Musik, die jeder Zugvogel von seinen Überwinterungsgebieten mitbringt in die niedersächsische Wattenmeerregion. Lieder, die beispielsweise entlang der ostatlantischen Vogelzugroute an den Küsten gespielt und gehört werden. Zugvogelmusik kennt keine Sprachbarrieren. Es gibt sie in Kamerun genauso wie in Sibirien, Großbritannien oder in Portugal. Und jeder kann sie verstehen.
Wie entstand die Idee für dieses Projekt?
Die Idee entstand nach einem Treffen zwischen zwei alten Handballkameraden. Peter Südbeck, studierter Ornithologe und inzwischen Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, und Jochen Kühling, Inhaber des Musiklabels Run United Music in Berlin und Südengland und Miterfinder des Berliner Erfolgsprojekts Heimatlieder aus Deutschland hatten sich lange nicht gesehen, und große Lust, gemeinsam “was mit Musik” zu machen, um die jährlich stattfindenden Zugvogeltage noch etwas bekannter zu machen.
Gesagt, getan. Jochen übertrug die Idee der Heimatlieder auf die Zugvogeltag, und das Konzept passte wie Pott auf Deckel. Wir haben uns gefragt: Wer kommt denn da überhaupt alles angeflogen, und wen zieht es jedes Jahr wieder zurück in die Gefilde der zweiten Heimat? Wie klingt diese zweite Heimat und wie sieht sie aus? Wir wollten in einem Abend füllenden Programm dem Publikum zeigen, welcher Musik die Zugvögel auf ihren Reisen begegnen. Sie fliegen ja von Wilhelmshaven nach Kamerun, von Island bis in den Maghreb, von Sibirien nach Südafrika. Und so haben wir exemplarisch einige Zugvögel der nordatlantischen Vogelzugroute zu ihren musikalischen Vorlieben befragt und ihre jeweiligen Lieblingskünstler eingeladen, und das ergibt bei jedem Konzert ein Paar aus Zugvogel und Künstler*in.
Wer sind die Musiker*innen?
Es ist ein Ensemble aus verschiedenen Bands und Musikern, das wir jedes Jahr neu zusammenstellen. Getreu dem Motto: “Kein Konzert ist wie das andere!” Sie leben und arbeiten zum Teil in diesen Ländern, zum Teil leben sie aber auch in Deutschland oder sind von hier. Was sie alle eint: Sie pflegen ihre Heimatkultur wo auch immer sie sind, sie zeigen Heimatverbundenheit und fühlen sich dem Zugvogel mit Herz und Seele sehr verbunden. Und nicht zuletzt: sie zeigen, dass Migration ein Urquell für die Entdeckung von Neuem sein kann, vor allem direkt vor der eigenen Haustür.
Und das Konzert?
Das Konzert ist sowohl ein großes buntes Spektakel, als auch eine ernste Mahnung. Die Folgen des Klimawandels sind unübersehbar. Die Lebensräume für viele Vögel und das Nahrungsangebot werden kleiner, das Überleben wird schwieriger. Viele der Vögel, die wir in den Konzerten mit kurzen Texten und großartigen Naturaufnahmen vorstellen, stehen längst auf der Roten Liste der aussterbenden Tierarten. Wenn es gelingt, die Menschen für dieses Thema zu senibiliseren – mit vielen, vielen spannenden und hoch interessanten Veranstaltungen auf den Zugvogeltagen, und mit einem Konzert, bei dem die Protagonisten nicht allein die Musiker, sondern vor allem die Zugvögel sind, dann haben wir schon etwas erreicht.
Unsere bunte Zugvogelmusik Schule (UbuZuSchu)
Kaum ein Sinnbild für die Freiheit ist schöner und stärker als das der Zugvögel. Sie begeben sich auf internationale Reisen über etliche Ländergrenzen hinweg und folgen ihrem natürlichen Instinkt auf der Suche nach idealem Klima und Nahrung. Die Vögel ziehen dorthin, wo es ihnen gut geht und sie das erfolgreich bestreiten können, was sie vor allem brauchen: Überleben und für Nachwuchs sorgen. Sie gehören niemandem und sind in den jeweiligen Ländern meistens nur zur Stippvisite.
„Unsere bunte Zugvogelmusik-Schule“ (UbuZuSchu) macht schon seit 2021 auf spielerische Art und Weise Kinder der dritten und vierten Grundschulklassen auf die Bedeutung und den Wert von Freiheit im Rahmen von Wissenschaft, Bildung, Natur und Kultur aufmerksam. Star des 45-minütigen Theaterspiels ist ein exemplarischer Zugvogel, der von einer Schauspielerin repräsentiert wird. Innerhalb einer bunten Schulstunde erfahren die Schüler*innen zunächst Wissenswertes über das Leben eines Zugvogels und die Bedeutung seiner Rast-, Brut- und Überwinterungsplätze. Ein Musiker mit Wurzeln im Überwinterungsland des Zugvogels präsentiert dazu unterschiedliche (Musik-)Kulturen der Regionen entlang des Zugwegs dieser Vögel. Und bringt so den Vogelzugweg zusammen mit den Lebenswirklichkeiten der Menschen in anderen Ländern, führt ein in deren Lebenskultur und Musik und vergegenwärtigt menschliche Migration parallel zu der von Zugvögeln. Und das alles mit viel Spaß, gemeinsamem Singen und viel Interaktion.
Zurzeit wird daran gearbeitet, UbuZuSchu zu einem Theaterstück für die große Bühne zu konzipieren.
Die Veranstalter
Was hat Handball mit Zugvögeln und Musik zu tun ?
Die Geschichte hinter der Zugvogelmusik ist auch die zweier alter Handballkameraden aus Cloppenburg: Jochen Kühling, inzwischen Besitzer eines Plattenlabels in Berlin und Südengland (Run United Music, siehe unten), und Peter Südbeck, inzwischen Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Bei einem gemeinsamen Treffen vor ein paar Jahren erzählte jeder, was er so macht, und eine Parallele war schnell gefunden. Jochen organisiert schon seit mehreren Jahren das Erfolgsprojekt Heimatlieder aus Deutschland, in dem Musik auf die Bühne kommt, die viele Menschen hierzulande kaum kennen, weil sie oft nur im stillen Kämmerlein oder auf kleinen Bühnen gespielt wird. Peter berichtete beim Treffen der Freunde aus dem Alltag im Niedersächsischen Wattenmeer, wo er auch mit Zugvögeln zu tun hat und unter anderem die Zugvogeltage verantwortet, die jedes Jahr im Herbst auf das besondere Naturspektakel in der Region aufmerksam macht, wenn Tausende von Zugvögeln aufbrechen in ihre Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiete. Die Idee war geboren, etwas gemeinsam zu machen, weil die Themen sich so gut verbinden lassen. Und da war sie, die Zugvogelmusik.
Peter Südbeck, Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer (links) und Jochen Kühling, Run United Music (Fotos: Melanie Stegemann)
Die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer
Weit, platt und sehr lebendig: Gelegen zwischen Land und Meer, umweht von einer steifen Brise, geprägt von Ebbe und Flut und ständigem Wandel – das ist das Wattenmeer. Als eine der letzten großflächigen Naturlandschaften Mitteleuropas mit ihren urwüchsigen Lebensräumen für etwa 10.000 Tier- und Pflanzenarten wird es in Niedersachsen seit 1986 als Nationalpark geschützt. Hier gilt: „Natur Natur sein lassen“. Der weltweit einzigartige Charakter dieses Großschutzgebiets wurde durch die im Jahr 2009 erfolgte Anerkennung des gesamten Wattenmeeres als UNESCO-Weltnaturerbe noch mehr herausgestellt. Hier können Menschen hautnah die Schönheit und Dynamik dieses besonderen Ökosystems erleben, es verstehen und schätzen lernen. Erholungssuchende finden in der ursprünglichen Natur Ruhe und Entspannung. Interessante Veranstaltungen und Ausstellungen der Nationalpark-Häuser und Weltnaturerbe-Besucherzentren erklären den Naturraum und schärfen das Auge für Details. Die Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer im Herbst begeistern eine steigende Zahl von Besucher*innen für die Vogelwelt der Nordseeküste. Direkt im Gebiet informieren die Nationalpark-Rangers über die Natur, pflegen und schützen sie. Unter dem Schirm des Nationalparks wird sichergestellt, dass auch zukünftige Generationen diesen vom ewigen Wechsel der Gezeiten bestimmten Lebensraum mit seiner vielseitigen Tier- und Pflanzenwelt erleben können.
Für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ist die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven die zuständige Behörde. Sie ist dem niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz nachgeordnet. Sie setzt das Nationalparkgesetz um, koordiniert Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, führt eine intensive Öffentlichkeitsarbeit durch und stimmt Forschungsfragen im Nationalpark ab. Dafür steht sie auch im Austausch mit internationalen Partnern. So wird zum Beispiel entlang des Ostatlantischen Zugwegs die Wadden Sea Flyway Initiative gepflegt, die sich für den Schutz und die Vernetzung der Rastgebiete von Zugvögeln einsetzt. Denn Zugvögel kennen keine Grenzen und keine Reisepässe, sie sind Weltenbummler. Die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer ist Veranstalter des Konzerts Zugvogelmusik.
Run United Music
Das Label Run United Music kennt sich aus, wenn es darum geht, unterschiedlichste Musiknischen zu ergründen, zugängig und auch verständlich zu machen, die gefundene Musik aufzunehmen oder sie auf die Bühne zu bringen, an welchem Ort und in welcher Größenordnung auch immer. Das Label sitzt in Berlin und Südengland, lebt mit und von Vielfalt und arbeitet schon seit Jahren mit allen möglichen Zugvögeln zusammen: Mit Künstler*innen, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben. Meilenstein war 2013 das von Migrationsforscher und Buchautor Mark Terkessidis und von Jochen Kühling (Run United) gegründete Projekt Heimatlieder aus Deutschland. Es gehört heute zu den erfolgreichsten und nachhaltigsten vom Hauptstadtkulturfonds geförderten Kunstprojekten. Im fünften Jahr seines Bestehens und nach frenetisch gefeierten Auftritten mit Standing Ovations in der Dresdner Semperoper, der Komischen Oper Berlin oder dem Thalia Theater Hamburg hat sich dieses Projekt weiterentwickelt (Chronik hier) und bekommt längst kreative Nachfolger: Mit den Heimatlieder-Allstars gibt es inzwischen ein Ensemble, dass kleine Bühnen bespielt, wie etwa 2014 vor den deutschen Botschaftern im Rohbau des Berliner Humboldtforums oder auf dem Neujahrsempfang der Robert-Bosch Stiftung. Auf erweiterten CD-Produktionen mixten namhafte nationale und internationale DJs und Künstler der elektronischen Avantgarde der elektronischen Musik (Eric D. Clark, Ulrich Schnauss oder Symbiz Sound) den originalen Sound der Heimatlieder aus Deutschland-Studioaufnahmen. Die Berliner Musikpionierin Gudrun Gut nahm von einem Album eine komplette Remixplatte auf, die Vogelmixe heißt. Eigens für ein zweitägiges Festival entwickelten Mark Terkessidis und Run United zusammen mit dem Berliner Hebbel am Ufer (HAU) das Musikprojekt Ein Traum von Weltmusik und brachte hier unter anderem die Folklore-Musiker aus dem Heimatlieder-Ensemble mit ihren traditionellen Instrumenten zusammen mit Kompositionen von Karlheinz Stockhausen, Peter Michael Hamel, Simeon ten Holt und den expressionistisch klassischen Werken von Grete von Zieritz. Aktuell entsteht aus diesem Projekt heraus das Avantgarde-Projekt Minimal Utopia.
Nun also Zugvogelmusik, was uns ein großes Anliegen ist. Nicht nur, dass alle unsere Künstler Zugvögel sind, so wie wir letztendlich auch. Und auch nicht nur, weil wir mit unserem norddeutschen Migrationshintergrund immer schon große Fans des Wattenmeers waren und sind. Uns geht es auch darum zu zeigen, dass und wie wir von Vielfalt profitieren, wie wertvoll die durch Migration entstehende kulturelle Vielfalt für uns und unseren Kulturraum sein kann und wie inspirierend es ist, sich mit diesen eingewanderten und verfügbaren kulturellen Ideen auseinanderzusetzen. Mehr Informationen über die Musik, die Projekte, über alle Künstler, die Platten, viele Fotos, Videos und natürlich Konzert-Termine gibt es auf auf der Website von Heimatlieder aus Deutschland.
Kontakt
Jochen Kühling
Email: jk(at)run-united.com
Tel.: +49 (0) 176 – 21 66 79 31
Run United Music
Postfach 36 05 21
10975 Berlin